Das Böse
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Ein Mensch pflückt, denn man merkt es kaum, ein Blütenreis von einem Baum. Ein andrer Mensch, nach altem Brauch, denkt sich, was der tut, tu ich auch. Ein dritter, weils schon gleich ist, fasst jetzt ohne Scham den vollen Ast, und sieh, nun folgt ein Heer von Sündern, den armen Baum ganz leer zu plündern. Von den Verbrechern war der erste, wie wenig er auch tat, der schwerste. Er nämlich übersprang die Hürde der unantastbar reinen Würde.
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(© Text by Eugen Roth) |
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Die Pappeln am Fluß
Die Pappeln am Fluß sind noch winterkahl,
Der Winterschlaf ihnen die Wirklichkeit stahl. Im Wasser spiegelt ihr Schatten jetzt grün, Als ob die Schatten wie Laub aufblühn. Grün ist da unten der Spiegelwald, Dann landet das Grün am Ufer bald. Die kahlen Pappeln sich gerne besehen, Und Fische statt Vögel im Wald unten gehen.
(©Max Dauthendey, 1867-1918 )
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Die Weide und die Pappel
Die Weide hat sich aufgerappelt. Sie will nicht länger traurig sein. Der Nachbarbaum hat sich ver-pappelt. Und tröstet, du stehst nie allein.
Bei Schnee und Eis, an heißen Tagen, selbst wenn bei Nacht die Winde weh'n, selbst wenn dich Angstgefühle plagen, will ich dir treu zur Seite steh'n.
Ich werde dich nicht hängen lassen. Und halte jeden Tag zu dir. Vertrauen musst du zu mir fassen. Denn so beginnt ein neues: Wir.
Die Pappel hat sich ausgebreitet. Und hält Kontakt zum Nachbarbaum. Der hat sich stilvoll ausge-weidet. Was sie verbindet: Ist ein Traum.
(© Roman Herberth)
Die schöne Pappel
Du, die immer mich erquickte, Wenn ich aus dem Fenster sah, Die mir oft entgegen nickte, Wenn vom Wind ein Stoß geschah: Hohe, schöne Gartenpappel! Dein Geschwank und das Gezappel Deiner Blätter hin und her Seh ich nimmer, nimmermehr.
Ach, ein Freund, ein guter, lieber, O wer hätte das geglaubt? Ach, mein Nachbar gegenüber, Hat mich Deines Blicks beraubt! Meiner Aussicht ohne Schonung, Baute er sich eine Wohnung Zwischen uns so in die Höh', Daß ich Dich jetzt nimmer seh'.
Lebe wohl, du schöne schlanke! Wachse, grüne lange noch! Ein erfreulicher Gedanke Ist mir dieß: Du könntest doch Dich vielleicht so weit erhöhen, Daß ich Dich könnt' wieder sehen. Würde dieser Wunsch gestillt War ich ganz von Lust erfüllt.
(©Friedrich Samuel Sauter, 1824)
Verkoppelung
Es geht ein Mann durch das bunte Land; Die Meßkette hält er in der Hand.
Sieht vor sich hin und sieht sich um; "Hier ist ja alles schief und krumm!"
Er mißt wohl hin und mißt wohl her; "Hier geht ja alles kreuz und quer!"
Er blickt zum Bach im Tale hin; "Das Buschwerk dort hat keinen Sinn!"
Zum Teiche zeigt er mit der Hand; "Das gibt ein Stück Kartoffelland!"
Der Weg macht seinen Augen Pein; "Der muß fortan schnurgerade sein!"
Die Hecke dünket ihm ein Graus; "Die roden wir natürlich aus!"
Der Wildbirnbaum ist ihm zu krumm; "Den hauen wir als ersten um!"
Die Pappel scheint ihm ohne Zweck; "Die muß da selbstverständlich weg!"
Und also wird mit vieler Kunst Die Feldmark regelrecht verhunzt.
(© Hermann Löns )
Mächtige deutsche Pappel
Vor meinem Fenster steht ein Baum, Ich sah ihn manche Jahre grünen. Das Leben steigt, das Leben fällt, Was kümmert das den alten Hünen.
Im Herbst da taumeln nach und nach Müde die Blätter von den Zweigen. Doch schlägt die Drossel, dann erwacht Der Winterwald aus Schlaf und Schweigen.
Und wieder Herbst. Es stirbt das Laub, Das noch vor Wochen sommergrüne, Doch nächstes Jahr, im Ostertraum - Was raunt der alte finstre Hüne?
(©Detlev von Liliencron - 1844 - 1909),
Taz / 02.02.2005 / die wahrheit
Ein Hoch der Pappel
Endlich wird der feinste aller Bäume einmal gelobt O ihr Menschen, die ihr die Pappel schmäht - o ihr kleinwüchsigen Ungustl! Ihr, die ihr die Pappel verachtet und euren sauren Schimpf abschlagt am ragenden Pappelstamm, ihr werdet noch all zuschanden werden und schändlich euch kratzen! Schämen sollt ihr euch! Und, marsch!, ohne Nachtisch ins Bett!
Eine kalte Nacht sei euer Teil, ferner Juckreiz im Intimbereich, Fersensporn sowie Heulen und Zähneklappern. So! Denn die von euch Pappelfeinden vermaledeite Pappel - sie überragt euch doch alle, ihr ehrvergessenes Gesindel samt all euren Millionen Genen und Genomen, von denen keines was taugt. Pappel aber - sei es die Popula alba, die herrliche Silberpappel, oder ihre schönste Schwester, die Zitterpappel oder auch Espe, Populus tremula -Pappel taugt! Ja zittern werdet ihr wie Espenlaub, denn kein Pappelbrett wird sein für euren dereinstigen Sarg. Denn niemandem ist sie, die Stolze, zu Diensten. Und euch schon gar nicht. Unwissende! Genug von euch!
Ewiger Ruhm und Ehre aber ihr, der Pappel - wem sonst! Sie ist die Königin aus Blatt und Holz, die Krone aller Bäume wird sie zu Recht genannt. Allenfalls freundlich die Straßen säumen wird sie, doch nimmer dient ihr leichtes und edles Holz zur Verfertigung hässlicher Büfetts, Vertikos, Wandschränken und anderen Gräueln, die eure bedrückenden Behausungen füllen. Jedwedem niederen Zweck und billigen Nutzen sich verweigernd, meidet sie auch den Wald, wo elende Fichten stramm stehen in Reih und Glied vor Försterbütteln und Eichen und Buchen sich drängeln, von Hirschen benagt und vom Hasen bepinkelt.
So viel zur Pappel, der hochaufgeschossenen, dem Kiebitz unter den Bäumen: ohn eitles Glitterwerk und feilen Prunk und auch ohne pompöse eichene Symbolik wird sie froh unsere öffentlichen Räume zieren, die reine Wonne aller Wohlmeinenden und Edeldenkenden.
Und die Dichter fügen unwiderlegbare Verse. So geht's bei Wilhelm Busch rund, in der kurzen Ballade "Der Undankbare". Fest hingegen steht sie in Bert Brechts Gedicht "Die Pappel vom Karlsplatz": "Eine Pappel steht am Karlsplatz / Mitten in der Trümmerstadt Berlin / Und wenn die Leute gehn übern Karlsplatz / Sehen sie ihr feundlich Grün. // In dem Winter sechsundvierzig / Fror'n die Menschen, und das Holz war rar / Und es fielen da viele Bäume / Und es wurd ihr letztes Jahr. // Doch die Pappel dort am Karlsplatz / Zeigt uns heute noch ihr grünes Blatt: / Seid bedankt, Anwohner vom Karlsplatz / Daß man sie noch immer hat." Pappel, du bist immerwährend.
(© F. W. BERNSTEIN)
Die Pappel in der Dichtung
Gustave Flaubert, Madame Bovary, 6.Kapitel:
Es war Anfang April. Die Primeln blühten, und ein lauer Wind hüpfte über die aufgeharkten Beete. Der Garten putzte sich für die Festtage des Sommers. Durch die Latten der Laube und weiterhin leuchtete der Bach, der sich in schnörkeligen Windungen in den flachen Wiesen hinwand. Der Abenddunst schwebte um die noch kahlen Pappeln und löste die Linien ihrer Äste zu weichem Violett auf, duftig und durchsichtig wie ein feiner Schleier. In der Ferne zogen Herden heim, aber ihr Huftritt und ihr Brüllen verklangen. Nur die Abendglocke läutete immerfort und füllte die Luft mit wehmütigem Frieden.
Karel Koval (Mozart v Praze. Praha 1956, S. 197)
Sicher aber muss nach mir jemand von euch kommen, aus tschechischem Blut, der das tschechische Lied erklingen lässt und dem Rauschen der tausendjährigen Pappel zuhört und sein tausendjähriges Lied in der Oper verewigt. Ihr habt Choräle mit hundertjähriger Tradition, habt wunderschöne Volkslieder, aber eine Nationaloper habt ihr noch nicht.
Peter Härtling schreibt in seinem Buch „Hölderlin. Ein Roman“ (S.388): (Hier interessanter Artikel, Der Pappelturm)
Im Westen, zum Taunus hin, säumten Silberpappeln einen Bach. Tagsüber, wenn die Sonne gegen sie stand, glitzerten sie und wurden zu schwerelosen Körpern. Henry liebte es, auf sie zuzuwandern: Weil sie immer wirklicher werden und weil sie, wenn man ihnen nah ist, zu flüstern beginnen. Pappeln sind die einzigen Bäume, die immerfort sprechen. Gehst du mit zu den Pappeln, Hölder?
Mir fehlt ein Wort
Ich werde ins Grab sinken, ohne zu wissen, was die Birkenblätter tun. Ich weiß es, aber ich kann es nicht sagen. Der Wind weht durch die jungen Birken; ihre Blätter zittern so schnell, hin und her, dass sie ... was? Flirren? Nein, auf ihnen flirrt das Licht; man kann vielleicht allenfalls sagen: die Blätter flimmern ... aber es ist nicht das. Es ist eine nervöse Bewegung, aber was ist es? Wie sagt man das? Was man nicht sagen kann, bleibt unerlöst – ›besprechen‹ hat eine tiefe Bedeutung. Steht bei Goethe ›Blattgeriesel‹? Ich mag nicht aufstehen, es ist so weit bis zu diesen Bänden, vier Meter und hundert Jahre. Was tun die Birkenblätter –?
(Chor): »Ihre Sorgen möchten wir ... [...]
Was tun die Birkenblätter –? Nur die Blätter der Birke tun dies; bei den andern Bäumen bewegen sie sich im Winde, zittern, rascheln, die Äste schwanken, mir fehlt kein Synonym, ich habe sie alle. Aber bei den Birken, da ist es etwas andres, das sind weibliche Bäume – merkwürdig, wie wir dann, wenn wir nicht mehr weiterkönnen, immer versuchen, der Sache mit einem Vergleich beizukommen; es hat ja eine ganze österreichische Dichterschule gegeben, die nur damit arbeitete, dass sie Eindrücke des Ohres in die Gesichtssphäre versetzte und Geruchsimpressionen ins Musikalische – es ist ein amüsantes Gesellschaftsspiel gewesen, und manche haben es Lyrik genannt. Was tun die Birkenblätter? Während ich dies schreibe, stehe ich alle vier Zeilen auf und sehe nach, was sie tun. Sie tun es. Ich werde dahingehen und es nicht gesagt haben.
(© Kurt Tucholsky 1929)
Was die Bibel sagt
Psalm 96
11 Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröhlich, das Meer brause und was darinnen ist; 12 das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist; es sollen jauchzen alle Bäume im Walde 13 vor dem HERRN; denn er kommt, denn er kommt, zu richten das Erdreich.
Das ist nur ein kleiner Abschnitt, aus dem wir von der Schöpfung hören, die den Schöpfer lobt. Viele Verse - schöne und auch erschreckende - finden wir beispielsweise unter folgendem Link:
Wir Menschen, wir, die wir die Bäume lieben, können versuchen, was immer unsere Kraft zulässt, um Bäume zu schützen und die Schöpfung zu bewahren, aber nur Einer kann am Ende wirklich retten. Daran sollten wir denken, wenn wir Niederlagen erleben, wenn wir Trauriges hören oder sehen. Wir können unsere kleine Kraft der Bewahrung der Schöpfung widmen (und sogar wie Luther die Absicht kundtun, heute noch ein Apfelbäumchen zu pflanzen, auch wenn morgen die Erde untergehen soll), aber den Schöpfer aller Dinge können wir nicht ersetzen. Den Bäumen sind Grenzen gesetzt wie auch den Menschen: ".. auf daß keine Bäume am Wasser wegen ihres Wuchses sich überheben und ihren Wipfel bis zwischen die Wolken strecken, und keine Wassertrinkenden (also wir Menschen) auf sich selbst sich stützen wegen ihrer Höhe; denn sie alle sind dem Tode hingegeben..."(steht in Hesekiel 31)
Von der Vergänglichkeit, aber auch von der Hoffnung spricht der Römerbrief, Kapitel 8, 20-22:
" 20 Alles auf Erden wurde der Vergänglichkeit unterworfen. Dies geschah gegen ihren Willen durch den, der sie unterworfen hat. Aber die ganze Schöpfung hofft auf den Tag, 21 an dem sie von Tod und Vergänglichkeit befreit wird zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt, wie unter den Schmerzen einer Geburt."
Auch wenn wir der Vergänglichkeit und dem Tod - beides eine Folge der Sünde - nichts entgegenzusetzen haben, so haben wir doch als Menschen, die diese Welt bevölkern, eine Verantwortung und Verpflichtung als Hüter der Schöpfung (das schließt uns selbst mit ein!). Solange wir in Liebe handeln, und solange wir das Geschaffenenicht über den Schöpfer setzen, wird Er mit uns sein.
Bei Fragen hierzu schreiben Sie mir eine Mail. (siehe Impressum)
J. Langer
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